KYOU-001~008 – Bad Alchemy BA95 – Summer 2017

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Kyou Records
(Osaka)
Auf Kazuya Ishigamis石上和也 heuer gestartetem neuen Label geht es Schlag auf Schlag, besser wohl: Ton in Ton, wie einst auch schon bei Neus- 318. Allein die Reihe ‘Neo electroacoustic ambient series’ ist mit fünf weiteren Einträgen vertreten:

KAYU NAKADA (*1980, Tokyo) experimentiert auf A circuit is not turning (KYOU-002) mit Circuit Bending und schließt dabei den Synthesizer mit der Leiterplatte einer Rhythm Box kurz. So erzeugt er knarzige und ploppende Geräusche, auch stechende und pointillistisch prickelnde, abrupt knacksende und giftig spritzende, in immer wieder unberechenbaren Ausbrüchen, kakophonen Kollisionen, bitzelnden und bratzenden Attacken. Sehr sorgsam, das Ganze, mit immer wieder auch Momenten ominöser Beinahestille oder einem regelmäßigen Tropfen. Aber natürlich ist dieser harsch molekularisierte Nachfahre der Clicks+Cuts-Ästhetik nur was für unerschrocken Bruitophile.

Ueda Hideo aus Tottori war vor 13, 14 Jahren schon als ELMA auch bei
Neus-318 zu hören. A dream not to be able to remember (KYOU-003) erschafft mit PC, Analogsynthie und Schrott dröhnende Szenerien, die nicht geheuer wirken sollen. Schon draußen vor der Tür und in der Nachbarwohnung lauert… was auch immer. ‘The Winchester House’ (ein Labyrinth aus 161 Räumen, Geheimgängen und falschen Treppen, das die Witwe des Gewehrfabrikanten sich in San Jose bauen ließ) ist der Bezugspunkt. Metalloid schimmerndes Brausen mit Poltergeistakzenten, aber auch zermürbendem Gepauke, macht einen zum Kreuzpunkt paranoider Obsessionen, Angst und Schuldgefühle ziehen ihren eigenen
Horror an.

DAO DE NOIZE (wie Daodejing?), das ist Artem Pismenetskii (*1984) in Charkiw, der neben Kollaborationen mit etwa Napalmed (CZ), GX Jupitter- Larsen (USA), Limited Liability Sounds (PL)… ein hauptsächlich japanophiles Profil zeigt: in Kontakten mit Merzbow, KK Null…, mit “Japanese Stories” (nach Soseki Natsume), “Murakami Dreams”… “War in the East” riecht daneben nach dem Scheiß vor Ort. Spiral World Notes (KYOU-004) spricht einfach von Spirale und Kreis, von Flow und Vibration und korrespondiert mit “4 squares” (+ 2 circles) auf Wachsender Prozess. Mit raunenden Gesängen und beständigen Schlägen bekommt das Dröhnen und Wooshen etwas Rituelles, ist aber viel zu dramatisch, um den Geist zu beruhigen oder Beständigkeit herzustellen. Im Gegenteil, alles fließt, alles bebt, tuckert, dröhnt in industrialem Furor, dem wahren Mantra unserer Zeit.

Seit den 90ern dirigiert TAKASHI MIYAMOTO 宮本 隆 mit der Bassgitarre die Time Strings Travellers auf den Spuren des späten Miles. Ihre vier Alben waren der Grundstein für Jigen Production, wo er neben Magical Power Mako und Ché-SHIZU auch Kazuya Ishigami präsentiert, mit dem er auch in 3 Mirrors freakisch improvisiert, tierisch betrommelt von Kimura Fumihiko.
Polarization (KYOU-005) erscheint daneben als Trip in die Chill-Zone. Der aber doch durch eine ‘Imaginary Door’ führt, auf eine durch Labyrinthe führende Mission zu ‘Giga Mountain’, geleitet von ‘Ancient Dreams’. Flirrende Basssaiten, Drones, ein Paukenloop oder ein knarrender Impuls als monotoner Beat, stehendes Bassgeknurr, kaskadierende Effekte, knattrige Motorik, lässiger Dub- und klackender Uptempogroove, schrottiger Krach. Man kann sich das gut als Bass-/Efx-/Looper-Solo vorstellen, das mit dem Titel ‘Early Capitalism’ zu denken gibt.

YUKA Nagamatsu in Osaka, die bei Altmeister Kazuo Uehara und bei Tomonari Higaki studiert hat, knüpft bei Li-lan (KYOU-006) einerseits an deren Ina-GRM-Rezeption und Frankophonie an, explizit mit ‘Foot Steps’, das mit Klängen aus Luc Ferraris Klangarchiv nach dem Presque Rien-Preis strebte. Andererseits nutzt sie für das Titelstück Feldaufnahmen eines alten Teehauses, bei ‘Calm flow’ den Klang einer Shō und für ‘Round shape’ streifte sie durch den Nara-Hirschpark. Auch war ‘As a luminograph’, mit dem sie beim CCMC2014 den FUTURA gewann, schon zu hören auf “Hibiki-no-norito vol.2 ‘Hearing Deer'”. Das Wie also Musique concrète a là française, das Was ganz japanisch, teils idyllisch mit Vögeln und rieselndem Wasser zu gedehntem Dingdong wie von Klangschalen oder auch mit Verkehrsgeräuschen, klickenden Lauten und klopfendem Genagel, Krähen-Krah, Krimskrams, dem zirpenden Geflöte der Shō, Schritten, Schreibmaschinen- oder Hufgeklapper (?), klirrendem Geflimmer, Parkbesuchern, Grillen…

Nach einem Konzept von KAZUYA ISHIGAMIs Kyou-Partner Yasuyuki Nakamura entstand in Kollaboration mit dem extrem produktiven (220 Nummern) und
bandbreiten Antwerpener Label Entr’acte KYOU x E = 1 (KYOU-007). Vier Tracks des KYOU-001-Albums “Canceller X” von Ishigami wurden remixt von ERYCK ABECASSIS (alias Kernel, der auch mit Kaspar T. Toeplitz Bass spielt in Sleaze Art), IMAGINARY FORCES (das ist Anthoney J Hart aka Basic Rhythm, BA bekannt durch die Fang Bomb-12″ “Visitation”), DALE CORNISH in Cronx (einem aufgeweckten Spaßvogel zwischen Schwulenbar und Morton Feldman) bzw. YVES DE MEY (einem Antwerpener Komponisten und Sounddesigner, zuletzt zu hören auf Editions Mego mit wieder Peter Van Hoesen als Sendai). Original und Variation erklingen jeweils paarweise, und mir scheint dabei das Bemühen der Mixer darin zu liegen, Ishigamis pumpendem oder sirrend, elegisch-ambient und surrend dröhnendem bzw. tröpfelig zuckendem Duktus mit größerer Bewegtheit wenn nicht poppiger, so doch lockerer, klangvoller und pointierter erscheinen zu lassen. Und bei De Mey definitiv groovy. Das auffallende Coverdesign stammt von Entr’acte-Macher Allon Kaye.

Runnin’s (KYOU-008), ebenfalls designt von Allon Kaye (wieder mit bloßen Buchstaben als seinem Markenzeichen), stammt von IMAGINARY FORCES allein. Der ist ein Typ, der sich mit “Maen Eglwys” und “Maen Eglos” cornisch, mit “Leporids”, “Homonids” und “Hominids” zoologisch und mit “Uppstigande” schwedisch bewandert gibt. Gleich mehrere Tracks hier sind Versionen oder Edits von Stücken auf “Low Key Movements” (Entr’acte, E186) oder “Shift Work” (auf Salem Rahids Bedouin Records in Dubai!). Sein knackiges Klopfen zieht bei KYOU ganz andere Saiten auf, so rhythmisch war es da noch nicht. Aber schon auch mit Sand im Getriebe und neinsagerisch auf der Stelle tretend, schwammig und elegisch. Dazu kommen Spoken Words (von Zungen mit Migrationshintergrund) und wieder technoid gepochte Wechselschrittbeatz, loopmonoton, noiseüberstäubt und wie im Locked Groove-Duktus.